Faserergänzung für die Sau - mehr als Vorbeugen von Verstopfungen
Eine richtige Fütterung reduziert das Risiko von Ferkelverlusten
Der in den letzten Jahren bei Sauen erzielte genetische Fortschritt stellt eine große Herausforderung für das Management dar. Aus Zahlen des Erzeugerringes Westfalen über den Verlauf der Jahre 2005/06 bis 2017/18 wird ersichtlich, dass mit der Anzahl der gesamt geborenen Ferkel auch die Ferkelsterblichkeit steigt (Abbildung 1), wobei sich der Anteil totgeborener Ferkel konstant erhöht.
Nach einer Auswertung von Welp (2014) liegen die Saugferkelverluste in Deutschland relativ konstant bei ca. 14 – 15%, und damit vergleichbar mit anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Dänemark. Dennoch gilt es auch hier, die Verlustraten einzugrenzen, zumal der weiter ansteigende Trend der jährlich geborenen Ferkel je Sau auch ein Risiko der weiteren Steigerung der Ferkelverluste impliziert (Tabelle 1).
Sau | Ferkel |
---|---|
längere Abferkeldauer geringere Geburtsgewichte geringere Uniformität | Höheres Risiko für Totgeburten |
geringere Kolostrumproduktion Probleme beim Laktationsstart weniger verfügbare Milch/Ferkel | Höheres Risiko für Aufzuchtverluste |
Das Erreichen von 35 Ferkeln und mehr pro Sau und Jahr gilt mittlerweile als anerkanntes Maß für die Produktionseffizienz. Über die Produktion großer Würfe (über)lebender Ferkel entscheidet aber das erfolgreiche Management. Die Stellschrauben sind vielfältig – die Fütterung der Sau ist dabei eine wichtige Einflussmöglichkeit.
Die Abferkeldauer als wichtiger Faktor
Große Würfe sind eng mit einer verlängerten Geburtsdauer verknüpft. Eine lange Geburt bedeutet Stress für die Sau und die Ferkel und ist mit mehreren negativen Folgen verbunden. Eine verlängerte Abferkeldauer erhöht den Anteil totgeborener Ferkel. Nach Theil (2015) bedeutet eine von 300 auf 400 Minuten verlängerte Geburt den Verlust von 2 Ferkeln und mehr (Abbildung 2).
Oliviero et al. (2013) wiesen die negativen Auswirkungen einer verlängerten Abferkeldauer auf die Fruchtbarkeit von Sauen nach. Sauen, die bei der ersten Besamung nicht tragend wurden, benötigten für die vorhergehende Abferkelung 100 Minuten länger als die Sauen, bei denen die erste Besamung erfolgreich war. Die beeinträchtigte Fruchtbarkeit steht im Zusammenhang mit einer verzögerten Plazentaablösung, die sich negativ auf die postpartale Gebärmuttergesundheit auswirkt und damit Einfluss auf die Entwicklung des postpartalen Dysgalaktie-Syndroms (PDS) nimmt. Senkt das PDS in den ersten Tagen nach dem Abferkeln die Kolostrum- und Milchproduktion, bedeutet das ein zusätzliches Risiko für die Ferkel in der kritischen neonatalen Phase (Maes et al. 2010). Eine verlängerte Geburtsdauer reduziert auch die Vitalität der Ferkel, die zudem eine höhere Wahrscheinlichkeit für den Tod durch Hypoxie (Sauerstoffmangel) haben (Randle 1971).
Die Versorgung der Sau mit Faser im Zeitraum um die Geburt bietet einen Ansatz zur Reduzierung der Abferkeldauer und hat dabei verschiedene weitere Vorteile. Eine adäquate Faserversorgung steigert die Wasseraufnahme der Sau um die Geburt und die Futteraufnahme in der Laktation und hat damit auch das Potenzial, die Kolostrumaufnahme und damit die Leistung der Ferkel zu erhöhen (Oliviero et al. 2009; Quesnel et al. 2009).
Im Allgemeinen wird Faser im geburtsnahen Zeitraum lediglich im Zusammenhang mit der Vermeidung von Verstopfungen betrachtet. Sie bietet jedoch Potenzial für zusätzliche Energieversorgung - vorausgesetzt, die Faser ist fermentierbar.
Auf die Faserquelle kommt es an
Um die Ration nicht zu verdünnen, sollte eine adäquate Faserquelle hochkonzentriert sein, wie z.B. Lignocellulose, die aus frischem Holz hergestellt wird. Physiologisch hochwertige Produkte werden in einem aufwändigen Prozess zu einer Partikelgröße von 50-120 Mikrometer vermahlen. Lignocellulose hat gegenüber anderen Faserträgern mehrere Vorteile: die Fasergehalte sind konstant und die Produkte sind frei von Mykotoxinen. Der wichtigste Vorteil ist jedoch die hohe Konzentration der Nahrungsfaser – Holz besteht fast ausschließlich aus Faser (Hemicellulose, Cellulose und Lignin).
Doch auch innerhalb der Gruppe der Lignocelluloseprodukte bestehen Unterschiede. Bei der Auswahl des richtigen Produkts sollte die Partikelgröße beachtet werden. Die deutsche Positivliste für Einzelfuttermittel schreibt eine Partikelgröße von max. 500 Mikrometer vor, deutlich kleinere Partikel erhöhen jedoch die physiologische Wertigkeit. Auch in der Fermentierbarkeit bestehen Unterschiede zwischen den Produkten. Lignocellulose der ersten Generation besteht zu 100% aus unlöslicher und nicht-fermentierbarer Faser, bei der Lignocellulose der zweiten Generation (LC2) ist die Faser ebenfalls vollständig unlöslich, jedoch als Kombination aus nicht-fermentierbarer und fermentierbarer Faser.
Einfluss auf Abferkeldauer und Ferkelleistung
Reyes et al. (2015) supplementierten das Trage- und Laktationsfutter von Sauen mit LC2 und verringerten damit die Ferkelmortalität in der Aufzuchtperiode und verbesserten die Fruchtbarkeit der Sauen durch Verkürzung der Zeit bis zur erfolgreichen Besamung.
Die LC2 zeigt somit Vorteile für die Sau und damit auch für die Ferkel. Das Potenzial liegt in der Vorbeugung von Verstopfungen sowie der zusätzlichen Energie für das Abferkeln. Die Zugabe von LC2 im Vorbereitungs- und Laktationsfutter verkürzt die Abferkelzeit und reduziert die Anzahl totgeborener Ferkel, wie Baarslag et al. (2012) aufzeigen konnten (Tabelle 2). Die zusätzliche Energiezufuhr in der letzten Trächtigkeitsperiode erhöhte das Geburtsgewicht, reduzierte den Anteil untergewichtiger Ferkel (<900 g Geburtsgewicht) und verbesserte das Absetzgewicht.
Kontrolle | LC2 | |
---|---|---|
Abferkeldauer; min | 220 | 180 |
Anzahl Ferkel, gesamt; n | 16,0 | 15,9 |
Anteil lebend geborener Ferkel; % | 90,2 | 93,2 |
Mittleres Geburtsgewicht; kg | 1,13 | 1,24 |
Anteil Ferkel < 900 g Geburtsgewicht; % | 16,7 | 13,6 |
Mittleres Absetzgewicht Ferkel Tag 27; kg | 7,20 | 7,50 |
Uterusentzündungen (Metritis), Milchmangel (Agalaktie) und Gesäugeentzündungen (Mastitis) - kurz MMA - sind Teil des PDS. Eine Supplementierung mit LC2 im Sauenfutter verhindert Verstopfungen und den Aufstieg von pathogenen Bakterien aus dem Dickdarm, als wichtige Faktoren der MMA-Prophylaxe. Eine erhöhte Faserzufuhr bei der Sau erhöht die Sekretion des für die Milchproduktion verantwortlichen Hormons Prolaktin und verbessert die Entwicklung der Ferkel bis zum Absetzen (Quesnel et al. 2009). Ergebnisse von Sarandan et al. (2008) zeigen, dass eine LC2 -Supplementierung verschiedene Problembereiche des PDS reduziert und die Milchproduktion bei Sauen erhöht (Tabelle 3).
Kontrolle | LC2 | |
---|---|---|
Abferkeldauer; min | 190 | 151 |
Sauen mit Mastitis; % | 51,6 | 20,6 |
Sauen mit Agalaktie; % | 29,0 | 20,6 |
Mittlere Milchproduktion; Tag 1–3, kg/d | 3,3 | 4,4 |